|
Fredrika Runeberg:
Frau Catharina Boije und ihre Töchter
Roman. Eine Erzählung aus der Zeit des großen Unfriedens.
Originaltitel: Fru Catharina Boije och hennes döttrar. En berättelse från
den stora ofredens tid. (1843/1858)
Herausgegeben und übersetzt aus dem Finnlandschwedischen von Nadine
Erler
Verlag 28 Eichen, Barnstorf 2009. 212 S. 18,00 €.
Format 12 x 19, 224 g, Softcover
ISBN: 978-3-940597-43-4
Email an den Verlag
Meine Aufmerksamkeit wurde von einer Tür gefesselt, auf der
ein junges Mädchen mit Schild und Helm abgebildet war. Über ihr baumelte eine
große Spinne an einem langen Faden. Auf meine Frage antwortete meine
Begleiterin, daß es zur Entstehung des Bildes eine Legende gab, die sie immer
fasziniert hatte, und mit heimlichem Gruseln bewohnte sie das Zimmer hinter
dieser Tür, in dem die junge Cecilia Boije – das Mädchen auf dem Bild – früher
gelebt hatte und das gerade deshalb einen besonderen Reiz für sie hatte. Ich bat
sie, mir die Geschichte zu erzählen.
„Hm“, erwiderte sie lächelnd, „das ist zu
weitschweifig. Ich habe mich so für dieses Ereignis interessiert, daß ich mühsam
alles gesammelt und geordnet habe, das ich herausfinden konnte. Ich fürchte, daß
ich nicht mit wenigen Worten eine Sache schildern könnte, mit der ich mich so
eingehend beschäftigt habe.“
„Je weitschweifiger, desto besser“, antwortete ich.
„Der Abend wird sich für uns sicher in die Länge ziehen, wenn wir nichts anderes
vorhaben, als dazusitzen und über nichts zu reden. Setzen wir uns an das offene
Fenster hier – genau in diesem Zimmer –, und erzähl mir deine Geschichte, das
wird sicher unterhaltsam.“
„Nun, wenn du genug Geduld zum Zuhören hast, dann
erzähle ich es gern. Es ist mir sogar lieb, endlich einmal all das loszuwerden,
was ich in Gedanken zu einem Bild zusammengetragen habe. Aber ich muß unbedingt
einen Stuhl mit hoher Lehne herbeischaffen, sonst treffe ich unmöglich den
richtigen Ton für die Zeit, in der meine Geschichte spielt. Also, betrachte mich
nun als echte Urgroßmutter aus der Zeit Karls XII. und mach dich auf das
Französisch gefaßt, das wie eine fleuve des mots deine Ohren genieren wird.“
Fredrika Runeberg, 1807 – 1879
|
„Cecilia, du bist sechzehn Jahre alt – und aufgewachsen in
einer Zeit, in der der Krieg das ganze Land in Angst und Schrecken versetzt hat.
Finnland liegt am Boden und ist dabei, zu verbluten. Seine Städte sind
geplündert und die Bürger bettelarm, die Häuser öde und leer oder nur noch von
Frauen und Kindern bewohnt. Überall herrscht Elend, und vielleicht ergibt sich
das Land bald dem Feind, der es schon unter seiner Fuchtel hat. Vielleicht ist
von deinem Zuhause in ein paar Tagen nur noch ein Haufen Asche übrig, und deine
Sachen liegen unter den Trümmern begraben. Oder vielleicht passiert sogar noch
Schlimmeres, Cecilia – und da wirst du blaß, wenn du eine Spinne siehst! Ist
jetzt der richtige Zeitpunkt dafür, daß Frauen sich anstellen wie Zimperliesen?
Wir haben genausoviel Kraft wie Männer.“
|